Weiterbildung Werbetext. Aufbau und Struktur des Werbetextes

2. Januar 2023

Der Werbetext-Einstieg

Der erste Satz des Fließtexts bezieht sich immer auf die Headline. Er nimmt sie ab und führt in den ersten Absatz ein. Die Deutsche Presse-Agentur empfiehlt: Der erste Satz sollte kurz sein und kein Komma enthalten. 

Der erste Absatz setzt das Thema und macht neugierig. Er ist immer kürzer als der nachfolgende. Das signalisiert dem Leser einen leichten Einstieg. Im ersten Absatz muss das wichtigste Argument für das Weiterlesen stehen. Der letzte Satz eines Absatzes sollte immer so formuliert sein, dass er neugierig auf den nächsten Absatz macht, wie ein Cliffhanger. 

Der szenische Einstieg für den Werbetext

Der szenische Einstieg in den Fließtext ist wie eine Exposition. Wie bei einer Reportage werden Ort, Protagonisten und Zeit beschrieben. Volkswagen zum Beispiel schreibt auf seiner Recruiting-Internetseite www.create-future-mobility.de: Headline:„Kollege Roboter.“ Es folgt der Fließtext „Auf den ersten Blick geht es in der Montagehalle 54 im Volkswagen Werk in Wolfsburg zu wie an vielen Montagebändern, an denen Motorenteile zusammengebaut werden: Mitarbeiter befestigen Komponenten, schrauben und stecken Elemente fest, das Band läuft, im gleichmäßigen Takt kommen die Golf Motoren vorgefahren. So weit, so normal. Doch wer genau hinsieht, erkennt, dass hier nicht nur Menschen routiniert ihre Handgriffe ausführen, sondern auch ein Kollege aus Kunststoff und Metall, ein Roboter, an den Motoren werkelt. Mensch-Roboter-Kooperation (MRK) heißt diese Produktionsweise, in der Roboterwerkzeuge und Mitarbeiter ohne trennenden Schutzzaun Seite an Seite werkeln. Mensch-Roboter-Kooperationen stellen nicht nur hohe Anforderungen an die Sicherheit. Denn ein Roboter, der so eng Seite an Seite mit einem Menschen arbeitet, muss vieles wissen und vieles können. ‚Moderne Roboter bringen immer mehr Sensoren mit, und das erfordert eine neue Art der Programmierung. Da sind wir von der IT gefordert‘, sagt Johannes Teiwes.“ 

Von der Exposition geht der Text zum Problem: „Mensch-Roboter-Kooperationen stellen nicht nur hohe Anforderungen an die Sicherheit. Denn ein Roboter, der so eng Seite an Seite mit einem Menschen arbeitet, muss vieles wissen und vieles können.“ Dann erfolgt ein Lösungsansatz und die Herausforderung für die IT-Mitarbeiter.

Ein zweites Beispiel von Volkswagen verdeutlicht nochmals die szenische Herangehensweise und den lebendigen Stil. Erzähl- und Erkenntnisteile sind durchmischt und wird dadurch nicht langweilig. Headline: „Virtuell zu neuen Modellen.“ Fließtext: „David Kuri ist in eine andere Welt abgetaucht. In dieser Welt baut er gerade ein neues Auto. Kein echtes, ein virtuelles. Im Grunde baut er es auch nicht, er entwirft es: die Karosserie schön aerodynamisch, die Scheinwerfer kreisrund, an den Türen sitzen schmale Griffe – all das zeichnet Kuri mit kräftigen Hand- und Armbewegungen in die Luft. Den Entstehungsprozess verfolgen die Umstehenden auf einem Computerbildschirm. David Kuri selbst kann ihn in seiner Welt beinahe real erleben, räumlich in 3-D, er kann in seiner Welt herumgehen, das Auto von oben und von der Seite anschauen – dank einer VR-Brille, die er vor seinen Augen trägt. Kuri ist kein Designer. Aber zu seinem Job bei Volkswagen gehört es, Designer und Ingenieure bei ihrer Arbeit zu unterstützen – durch Software. Mit deren Hilfe gestalten Designer das Aussehen neuer Volkswagen Modelle bis ins Detail: virtuell, ohne auch nur einen Werkstoff verbauen zu müssen.“ Der Text lässt erleben und malt die Bilder aus.

Werbetext-Strategie: Vom Problem zur Lösung

Vom Problem und Pain Point zur Lösung. Das verkürzte Problem-Lösungs-Schema lässt sich auch auf Headline und Sub-Headline übertragen. Beide zusammen funktionieren dann wie Konflikt und Zielentwicklung. Im folgenden Beispiel ist die erste Headline ein Konflikt und die Subheadline übernimmt die Zielentwicklung. Headline: „Schreiender Chef.“ Subheadline:„Schwitz es raus.“ Claim und Auflösung: „Hornbach. Es gibt immer was zu tun.“ Zweites Beispiel. Headline: „Die Stunden vorm Computer.“ Subheadline: „Schwitz es raus.“ Claim: „Hornbach. Es gibt immer was zu tun.“

In langen Fließtexten steigern Sie langsam die Spannung, indem Sie weitere Konflikte einbauen, die der Lösung entgegenstehen. Ohne Konflikt entsteht keine Spannung. Das wirkt emotional und ermöglicht die Vorbereitung der Lösung. Nach dem Spannungshöhepunkt bieten Sie die Lösung an. Am Ende der Geschichte erhält der Leser eine Erkenntnis und Einsicht (Moral, Coda, Epilog). 

Headline mit Zielentwicklung: „Bringen Sie Ihre Adressen auf den neuesten Stand.“ Fließtexteinstieg mit auslösendem Ereignis und Pain Points: „Adressen und Daten von Ihren Kunden ändern sich ständig. Dadurch gehen Ihnen wertvolle Kundendaten verloren. Schreibfehler führen zu fehlerhaften Zustellungen oder es werden Dubletten angelegt. Es ist viel Aufwand, die Kundendatenbank dauerhaft in guter Qualität zu halten.“ Höhepunkt und Wendung: „Warum nutzen Sie keine Software, die Ihnen viele Aufgaben abnimmt?“ Lösung und Zielentwicklung: „Wir bieten Ihnen das Datenbankmanagement X. Es löst alle Probleme ihrer Adressen. Die automatische Eingabe von neuen Adressen aus Mails, den Abgleich mit bestehenden Daten oder Dubletten und die Auswahl von Adressen.“

Ein längerer Anzeigentext in der Problem-Lösung-Dramaturgie für die Roland Versicherung. Headline und auslösendes Ereignis: „So kostet Sie Ihr Einsatz das letzte Hemd.“ Fließtext, Exposition: „Stellen Sie sich vor: Ihr Geschäftsbereich floriert, fährt gigantische Gewinne ein und setzt die Benchmark für das gesamte Unternehmen extrem hoch. Sie expandieren expotentiell und performen links wie rechts. Sie könnten sich auf ihren zahlreichen Lorbeeren ausruhen – wenn das nicht schon alle anderen täten.“ Konflikt, Komplikationen, Klimax: „Die lieben Vorstands-Kollegen nutzen Ihren Drive nämlich aus, um selbst einen Gang zurückzuschalten. Dr. Müller hat mittlerweile Handicap 11, Herr Schulze eine neue Freundin und Kollegin Bratberg das goldene Abzeichen für Ausdruckstanz. Nichts gegen Freizeitspaß, aber bitte am Feierabend!“ Höhepunkt: „Als Sie diese Arbeitsteilung beim Jahrestreffen mit dem Aufsichtsrat erwähnen und auf eine entsprechende Vergütung pochen, schlägt Ihnen Unverständnis entgegen.“ Wendepunkt: „Profilierungssucht entspräche nicht dem Corporate Spirit, der Jahresbonus sei gestrichen, genauso wie weiterführende Karrierechancen.“ Zweite Klimax: „So abgewatscht überlegen Sie, die Kollegen mit dem Golfschläger zu verprügeln und auf ihren Überresten ein Tänzchen mit Schulzes Freundin hinzulegen.“ Auflösung und Schlussappell: „Stattdessen atmen Sie ruhig durch und sparen sich die Luft für das Gespräch mit Ihrem Anwalt.“ Claim: Roland. Wir kämpfen um Ihr gutes Recht.“

Der Mittelteil des Werbetextes

Im Mittelteil erfolgt meist die ausführliche Zielentwicklung und Argumentation. Bei langen Texten gerne im Wechsel mit Konflikten. Die Argumente können als ansteigende Reihe, als dramatisierende Reihe oder als Pro und Contra geordnet und sortiert werden. 

Ansteigende Reihe bedeutet, dass die Argumente an Bedeutung zunehmen. Wichtig ist, dass der Text dramatisch geordnet ist, damit der Leser im Text bleibt. Die ansteigende Reihe basiert darauf, dass der Leser ein starkes Interesse besitzt und im Text verweilt. Das ist abhängig von seiner Customer Journey. Irgendwann liest jeder lange Texte, aber meist erst nach der ersten Kontakt- oder Orientierungsphase. Bei Broschüren, Datenblättern oder Flyern kann man das beachten, bei Mailings nicht. 

Dramatisierende Reihe bedeutet, mit dem stärksten Argument im ersten Absatz einzusteigen. Danach fallen die Argumente in ihrer Wichtigkeit ab. Der Text endet mit einem letzten starken Argument. Das ist für alle Textsorten ideal, auch für Mailings.

Pro und Contra geht davon aus, dass der Leser Einwände besitzt. Man möchte seine Einwände den Vorteilen gegenüberstellen und dadurch überzeugen. In der Rhetorik nennt man das vorweggenommene Einwandbehandlung. Besitzt der Leser Einwände, egal welcher Art, müssen diese behandelt werden, sonst bleiben sie weiterhin im Kopf der Zielgruppe. Also nicht denken: „Darüber reden wir besser nicht.“ Wenn Vorurteile beim Leser existieren, müssen sie ausgeräumt werden.

Der Höhepunkt im Werbetext. Für Herz und Verstand

Der nächste Anzeigentext startet mit einem auslösenden Ereignis in der Headline. Darauf folgen Komplikationen bis zum Höhepunkt, der als Frage formuliert ist. Der Höhepunkt ist für Herz und Verstand formuliert. Die Art der Formulierung ist fürs Herz. Die kausale Reihung der Sätze zuvor legt dem Verstand die Handlung nahe. Danach erfolgt die Zielentwicklung und Auflösung mit dem Call-to-Action.

Für einen Toilettensitz der Collection Paguette steht in der Headline als auslösendes Ereignis „Ein Jahr sitzen.“ Exposition: „Man spricht von kleinen Geschäften. Entschuldigt sich für einen Augenblick. Ist gleich wieder da.“ Komplikation: „Rechnet man aber die Zeiten, die man so täglich hinter Schloss und Riegel verbringt, einmal zusammen, kommt leicht ein Jahr Ihres Lebens dabei heraus.“ Höhepunkt: „Sollte man sich so gesehen nicht etwas mehr Gedanken darüber machen, wie gut man diese Zeit absitzt?“ Zielentwicklung als ansteigende Reihe: „Unser neuer Nova, von einem anerkannten Designer für hochwertige Bürostühle (!) entwickelt, bietet aufgrund seiner anatomisch konsequenten Form ein Höchstmaß an Sitzkomfort. Und einen ganz neuen Bedienungskomfort: Antippen genügt – und Sitz und Deckel schließen sich automatisch – ohne Fall und Knall. Zudem ist der Nova ein Glanzstück an Ästhetik.“ Auflösung und Fazit: „Ein wenig Luxus sollte Ihnen ein Jahr Ihres Lebens schon wert sein.“ Endsituation und Call-to-Action: „Den Nova gibt es, wie all die anderen WC-Sitze aus der Collection Paguette, beim Fachmann vom Sanitärhandel und -handwerk.“

Die überraschende Wendung im Werbetext

Gute Story folgt einer inneren Dramaturgie. Folgende Anzeige für Hundeliebhaber des Lifestyle-Magazins Dog ist eine Story mit überraschender Wendung. In Ich-Erzählperspektive geschrieben. Jedes Wort sitzt. Der Text, wie ein kleiner Film. Abbildung: Ein Hund schaut treudoof in die Kamera. Die Headline wird zum auslösenden Ereignis: „Ich lege ein Vermögen für Dich hin.“ Der Fließtext startet mit der Zielentwicklung: „Ich bezahle alles.“ Darauf folgen die Komplikationen:„Steuern, Versicherung, Medizin. Dein Spielzeug.“ Dann der Höhepunkt: „Deinen Unterricht!“ Darauf erfolgt die überraschende Wendung: Die Abbildung der Hundezeitschrift, darunter der Claim mit Call-to-Action: „Du liest, was Du liebst.“ Die Story trifft Herz und Motive der Hundebesitzer. Die Ich-Erzählsituation dringt direkt in die Köpfe der Zielgruppe ein und wirkt. 

Eine Kampagne für Deutschland und ein Anzeigentext mit folgender Erzählstruktur: 1. Auslösendes Ereignis, 2. Komplikationen geordnet als Klimax, 3. Höhepunkt und 4. überraschende Wendung mit Happy End. Abbildung eines süßen 3-jährigen Jungen. Headline und auslösendes Ereignis: „Du machst uns wahnsinnig.“ Dann die Komplikationen als Klimax im Fließtext: „Du bist eine Nervensäge und ein Zeitfresser. Ständig musst Du im Mittelpunkt stehen. Du bekommst Masern und Windpocken und siehst böse Monster im Schrank. Man kann dich nicht eine einzige Sekunde aus den Augen lassen.“ Höhepunkt: „Ja, du machst uns wahnsinnig:“ Überraschende Wendung mit Happy End: „Vor Glück.“ Ein zweites Motiv der gleichen Kampagne. Abbildung eines grinsenden Babys im Bademantel. Headline und auslösendes Ereignis: „Du stinkst.“ Komplikationen als Klimax im Fließtext: „Wenn wir deine Windeln wechseln. Wenn du mal wieder stundenlang in der Matschepampe gebadet hast. Wenn du uns zeigst, dass man auch in Minka’s Katzenklo spielen kann.“ Überraschende Wendung: „Mag ja sein, dass andere das stört. Uns nicht.“

Kurztexte sind für überraschende Wendungen ideal, weil das Ende nicht weit vom Anfang entfernt liegt und die Aufmerksamkeit des Lesers noch nicht erschöpft ist. Um so besser, wenn es auch längeren Texten gelingt. In einer Produktbroschüre für Blankenhorn Messtechnik findet sich dieser schöne Text für digitale Bügelmessschrauben. Headline mit auslösendem Ereignis: „Drehen Sie nicht durch.“ Subheadline: „Digitale Bügelmessschrauben.“ Fließtext, Zielentwicklung:„Ohne Eigenrotation schieben sich die 50,27 mm Messfläche der Messspindel in den Raum.“ Komplikation: „‚Mach langsam, Rüdi‘, denkt er sich und spürt seinen heißen Atem auf dem Handrücken. ‚Jetzt bloß keinen Fehler machen.‘“ Zielentwicklung:„Die Zugfestigkeit und Streckgrenze des Sphärogussbügels sind Rüdis Geduld um Lichtjahre voraus. Dehnung und Zähigkeit dieser einmaligen Gusslegierung wären einen Wunsch bei der letzten Sternschnuppe wert gewesen. Das Anlüften ermöglicht das schnelle Anfahren beim Anlegen des Werkstücks.“ Zweite Komplikation: „‚Jetzt nur nicht nervös werden.‘“ Zielentwicklung: „Zack, blitzschnell und ohne Verkanten fährt die Messfläche wieder an das Teil ran.“ Dritte Komplikation:„‚Noch mal, und Vorsicht!‘ Das, was Rüdi hier in den Händen hält, ist kostbar und leicht zerstört.“ Zielentwicklung: „Kein Grund für Gefahr. Bei dieser Prüfmethode können polierte Flächen nicht verkratzen. Langsam löst er die Gefühlsratsche. Sein Blick ist wie ein Laser auf die Digitalmessanzeige gerichtet. Konzentration, neues Anfahren. Präzise, schnell und ohne Verkanten. Verblüffend.“ Höhepunkt: „Und noch mal …“ Überraschende Wendung und Auflösung: „Rüdiger F. ist Astronaut. Er ist seit drei Jahren am nördlichsten Rand der Milchstraße als Wachposten stationiert und hat soeben erfolgreich ein Smarties vermessen. Es ist sein letztes.“

The End: Auflösung der Story im Werbetext

Das Ende wird auf den Anfang zurückgeführt. Es nimmt Bezug auf den Anfang, auf die Headline oder die Leitidee. Die Auflösung bezieht sich auf den Grundkonflikt und löst beziehungsweise erklärt diesen vollständig. Der letzte Absatz ist kürzer als der vorletzte. Claim und/oder Slogan schließen den Fließtext ab. Der Text sollte mit einer Aufforderung, Call-to-Action, CTA, enden. Manchmal kann dies auch der Slogan/Claim übernehmen. 

Ein Anzeigenbeispiel für den Uhrenhersteller IWC. Abbildung der Uhr. Headline, auslösendem Ereignis: „Für Männer, die ihre Kronjuwelen am Handgelenk tragen.“ Fließtext, Konflikt und Thema: „Warum Männer mit Stil keinen Schmuck tragen? Zielentwicklung: „Weil ein Zeitmesser wie dieser Schmuck genug ist. Das elegante Gehäuse enthält ein Taschenuhrwerk mit Pellaton-Aufzug und einer Gangreserve für 7 Tage. Und damit man sich an der inneren Schönheit auch erfreuen kann, besteht der Boden aus Saphirglas.“ Auflösung und Fazit: „So außergewöhnlichen Schmuck könnte man doch fast an beiden Handgelenken tragen, oder?“ Der Fließtext startet mit einer Frage. Fragen ziehen den Leser in den Text. Die Antwort und Auflösung der Headline folgt sogleich. Der Mittelteil reiht drei Argumente, in ihrer Wichtigkeit aufsteigend, hintereinander. Der Fließtext endet mit einer Frage, die zur Headline zurückführt.