Grafikdesign- und Gestaltungskonzeption

12. August 2022

Das Kapitel erörtert die Bedingungen guten Grafikdesigns. Dabei geht es zunächst um die Abgrenzung von einzigartiger zu austauschbarer Gestaltung und um die Gründe warum dies für die Wirkung entscheidend ist. Danach werden die Fragen welchen Wahrnehmungsbedingungen eine Anzeige ausgesetzt ist und welche Informationsmenge sie verträgt beantwortet. Ebenfalls wird beschrieben was eine gute Gestaltungsidee auszeichnet und in welchen Kampagnenstrukturen sie sich entfalten kann. Die Abweichung von der Norm, die Wirkung der Story, die Erzählperspektive und der semantische Bezug der Idee zum Absender spielen hier die Hauptrollen. 

Gestaltungsqualität ist Unternehmensqualität. Gutes Grafikdesign und Gestaltung sind ein Imagefaktor und werten jedes Unternehmen auf. Man wirbt mit wirkungsvollen, kreativen Anzeigen und die RezipientenInnen zahlen es mit Erinnerung und Imagegewinn zurück. 

Erfolgreiche Unternehmen sind in der Gestaltung ihrer Kommunikation innovativ. Die Botschaft wird dramatisiert und emotionalisiert. Das steigert die Erinnerung an die Versprechen und Botschaften. Das ist wichtig in einem offensiv operierenden Konkurrenzumfeld. 

Branchen-Gleichheit oder branchenunabhängig?

Gutes Grafikdesign unterscheidet und hebt ab. Die gute Anzeige besitzt Eigenständigkeit in Bild und Text. Sie geht auf die Einstellungen und Motive der Bewerber ein, tritt in die Lebenswelt der Zielgruppe ein und besteht darin.

Wenn Sie Grafikdesign beurteilen, dann sind nicht die Konventionen einer Branche der Maßstab für wirkungsvolle Gestaltung. Achten Sie darauf, wie sehr sich Wettbewerber gleichen. Kommt Ihnen etwas bekannt vor, dann überarbeiten Sie es. Schauen Sie auf die Konkurrenz und Sie wissen, wie Sie nicht aussehen wollen. 

Gestaltung kann branchenspezifische Konventionen aufweisen. Zum Beispiel gleiche Abbildungen, Versprechen, Tonalitäten, Inhalte, Codes oder Texte. Sobald diese zur Konvention werden wirken sie abgenutzt, einfältig, aufgesetzt oder unglaubwürdig. 

Reproduzieren Sie nicht die Grafikdesign-Stile der Kampagnen anderer. Vor allem nicht die ihrer Branche. Analysieren Sie die Paradigmen Ihrer Konkurrenz und weichen Sie davon ab. Abweichende Beispiele werden erinnert, weil sie auffallen und dennoch auf den Punkt kommen. 

Die Merkmale guter Grafik sind branchenunabhängig. Design-, Layout, Bild- und Textqualität sind branchenunabhängig. Es gibt keinen Gestaltungsstil, den eine Branche, ein Thema oder eine Sache vorgibt. Gutes Grafikdesign ist allgemein gültig. 

Grafikdesign. Vertiefung statt Fläche

Eine Anzeige ist kein Bauchladen. Zu viele Botschaften werden nicht wahrgenommen und erdrücken die Hauptbotschaft. Geben wir einer Anzeige drei Sekunden Zeit für die erste Wahrnehmung der Botschaften und der Entscheidung darüber ob man weiter liest, und das ist schon viel, dann ist weniger Mehr.

Wenn Sie viele Botschaften kommunizieren wollen denken Sie in Stufen und Informationstiefe. Vertiefung meint, dass nicht jede Information in eine Anzeige soll und kann. Informationen sollten fragmentiert, strukturiert und mehrstufig in die Tiefe verteilt werden. Vielleicht gehören bestimmte Informationen statt in die Anzeige in einen Flyer, oder auf eine Internetseite (Microsite oder Landing Page), oder auf einen Messestand. Eventuell dient die Anzeige nur dazu, auf einen Aspekt aufmerksam und neugierig zu machen. Vertiefende Informationen werden dann an anderer Stelle gegeben.

Die Verteilung der Information entsprechend dem Medium und dem Bedürfnis der Informationsaufnahme einer Zielgruppe ist wichtiger, als Anzeigen mit Information zu überfrachten. Die Frage lautet: Für welche Information interessiert sich die Zielgruppe zum gedachten Zeitpunkt ihrer Entscheidungsfindung? Wo trifft die Zielgruppe auf die Information? 

Die Entscheidungsfindung der Zielgruppe verläuft über mehrere Phasen und jede verlangt andere Informationsgaben und -mengen. 

Was ist eine gute Gestaltungsidee?

Eine grafische Gestaltungsidee dramatisiert die Motive und Einstellungen der Zielgruppe. Die Idee überträgt die zentrale, emotionale Botschaft in eine dramatische Form von Story, Bild, Grafikdesign und Text. Die Idee dient der Aufmerksamkeit. Sie emotionalisiert und steigert die Merkfähigkeit der Botschaft. Sie transportiert die Inhalte ins Gedächtnis. 

Eine Idee ist eine Abweichung von Bekanntem. Gute Ideen weichen immer ab. Sei es als Story, Wortspiel, Doppeldeutigkeit, Bild oder im Wort-Bild-Kontext. Abgewichen wird von Normen, Mustern, Regeln oder Konventionen. In dieser Abweichung liegt eine Erkenntnis, die direkt zum Versprechen und Nutzen führen. 

Ein weiteres Erklärmodell für die Beschaffenheit von Ideen ist die Kontextverschiebung. Zwei gegensätzliche, bisher nicht verbundene Bedeutungsfelder werden übereinander geschoben und entwickeln dadurch neue Bedeutung. Was gute Ideen oft auszeichnet ist, dass meist zwei unterschiedliche Kontexte übereinander liegen und überraschend aufgelöst werden. Das Versprechen wird dadurch dramatisiert und bleibt in Erinnerung. 

Die Gestaltungsidee sollte in einem Satz formulierbar sein. Wird die Idee in einem Satz nicht deutlich ist sie noch nicht überzeugend. Gute Ideen besitzen eine klar erkennbare dramatische Form oder Mechanik. Ist die Form nicht eindeutig, bleibt die Idee missverständlich. 

Eine gute Idee ist: verblüffend, ungesehen, kraftvoll, intelligent, involvierend, einleuchtend,sympathisch, lebensnah, menschlich, wahrhaftig, treffgenau und fokussiert. Die beste Idee ist einzigartig.

Der Storytelling-Ansatz im Grafikdesign. Narrativ statt deskriptiv

Ein Qualitätskriterium guter Gestaltung wird im Unterschied zwischen narrativ und deskriptiv deutlich. Der oft praktizierte beschreibende (deskriptive) Anzeigenstil ist distanziert und meist allgemein statt spezifisch. Die Texte und Bilder beschreiben lediglich. Der deskriptive Stil dramatisiert nicht und richtet sich nur an den Intellekt. Das Grafikdesign bleibt unemotional, austauschbar,unkonkret und der Text floskelhaft. 

In vielen Fällen erzeugt das Deskriptive Distanz zum Leser, statt Nähe. Die Tonalitäten beschreibender Kampagnen sind meist behauptend. Dadurch wirkt die Gestaltung wie ein Hierarchie-Marker. Der Absender sagt wie es ist und RezipientInnen sollen es glauben. 

Im Gegensatz dazu sind die Tonalitäten erzählender (narrativer) Ideen emotionaler. Das Erleben und sinnliche Empfinden einer Botschaft wird gefördert. Durch die Dramatisierung der Inhalte werden Botschaften erfahrbarer. Die Anzeigen überlassen dem Rezipienten die Interpretation der Idee. Dadurch wird der Geist des Lesers angeregt. Er darf selbst die Bedeutung der Idee entschlüsseln und deren Inhalt erfassen. Die Kommunikation findet auf Augenhöhe statt. Gute Gestaltung folgt den Prämissen: Erleben statt erklären, berühren statt belehren und erfahren statt behaupten.

Die Wirkung der Story

Überall dort wo Ideen in Grafikdesign, Bild und Text erzählerisch wirken erreichen sie größere Aufmerksamkeit. Die Erinnerung wird verbessert und die Verweildauer steigt. Bild und Texte erzählen eine kleine Geschichte und verändern dadurch automatisch die Tonalität, das Image und die Betroffenheit der Zielgruppe. 

Die Story
– erhöht die Aufmerksamkeit 

– erzeugt Spannung

– verbessert die Verständlichkeit 

– steigert das Interesse 

– weckt Wünsche, Sehnsüchte und Emotionen 

– bietet Unterhaltungswert 

– intensiviert die Erinnerung 

– fördert das Lesevergnügen

– verändert die Tonalität und Zielgruppenansprache

Schwache gegen bessere Gestaltungsidee

Natürlich ist es ganz einfach zu sagen: „Die Idee gefällt mir nicht.“ Warum? Meist gefällt das Unerwartete nicht oder man glaubt die Idee passt nicht zum eigenen Unternehmen. Jede starke Idee öffnet Ihren Geist und verändert die Haltung der Zielgruppen zum Angebot. 

Dem gilt es in der Beurteilung genügend Raum und Zeit einzuräumen, um sich von Konventionen verabschieden zu können. Mehr Idee bedeutet mehr emotionale Wirkung und eine neue Sicht auf die Dinge. Darauf sollten EntscheiderInnen positiv und nicht mit Killerargumenten reagieren. 

Ohne Gestaltung bleiben Aussagen austauschbar, auch wenn sie wertvoll und ernst gemeint sind. Leider wirken sie so, als könnte das jedes Unternehmen versprechen. Die Botschaft bleibt allgemein und unspezifisch. 

Die zentrale Frage lautet: Was ist das Besondere, konkrete dieses Unternehmens und wie setzt sich die Anzeigenidee gegenüber Unternehmen mit gleicher Aussage ab? 

Die Kampagnen-Konzeption. Einzelanzeige oder Kampagne?

Handelt es sich um eine Einzelanzeige oder um eine Kampagne mit mehreren Motiven? Einzelanzeigen sind Einzelmeister. Sie folgen meist keinen engeren konzeptionellen Vorgaben im Sinne einer Leitidee und konzentrieren sich im Idealfall auf ein zentrales Versprechen. 

Bei einer Kampagne mit mehreren Anzeigen richten sich die Motive an einer zentralen Gestaltungs- oder Leitidee aus und orientieren sich daran. Das sorgt für den Zusammenhalt der Kampagne und die richtige Zuordnung zum Absender und seiner Positionierung. Es verbessert auch die Wiedererkennung und Erinnerung. 

Zwei Varianten für Versprechen in Anzeigen sind denkbar:

1. Jedes neue Motiv zahlt auf das gleiche Versprechen ein

2. Jedes neue Anzeigenmotiv greift ein neues Versprechen auf 

Beide Wege sind möglich. Der Vorteil von Variante eins ist, dass ein Unternehmen eine klares Versprechen durchgängig penetriert. Der Vorteil von Variante zwei ist, dass ein Unternehmen mehrere Versprechen und Entscheidungskriterien besetzt. Die Gestaltungsidee kann sich mit jedem neuen Motiv ändern und wird vom Corporate Design zusammengehalten.